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Silvesterstress und die Möglichkeiten zur Linderung

Die Ausgangssituation

In den vergangenen Jahrzehnten nahm die Bedeutung des Hundes als Familienmitglied immer mehr zu. Entsprechend mehr Beachtung wird der Gesundheit und dem Wohlbefinden geschenkt. Wie schnell es hier zu Verschlechterungen kommen kann, wird vielen Hundehaltenden an Silvester klar, wenn der sonst so ausgeglichene Hund gestresst und verängstigt in der Ecke zittert.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, werden zahlreiche Produkte zur Unterstützung angeboten. Inwieweit diese für den eigenen Hund geeignet und zielführend sind, gilt es immer im Einzelfall abzuwägen. Grundlage hierzu liefert die sich stetig vergrößernde Datenbasis an wissenschaftlichen Studien. Nichtsdestotrotz ist bis heute noch längst nicht jeder Zusammenhang im Detail untersucht und belegt.
Welche Lösungsansätze die Ernährung des Hundes liefern kann, beschreiben die folgenden Abschnitte.
Wesentliche Stellschrauben der Ernährung auf Stress- und Angstverhalten

 

Proteine

Einen hohen Proteinanteil im Futter werten viele Hundehaltenden als Qualitätsmerkmal. Für die gezielte Optimierung im Zusammenhang mit dem Verhalten ist jedoch inzwischen bekannt, dass vorrangig die Verteilung der Aminosäuren, der kleinsten Bestandteile von Proteinen, entscheidend ist.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei die essenzielle Aminosäure Tryptophan als Vorstufe des „Glückshormon“ Serotonin. In diversen Studien konnte belegt werden, dass durch einen Mangel depressive Erkrankungen begünstigt werden.
Im Körper konkurrieren alle Aminosäuren um die gleichen Transportmechanismen. Eine singuläre Supplementierung von Tryptophan ist somit nicht zielführend, wenn der Gesamtanteil Proteine in der Ration sehr hoch ist. Stattdessen  ist es effektiv den Proteingesamtanteil bedarfsdeckend zu reduzieren und hierbei relativ gesehen einen hohen Tryptophananteil über gezielte Futtermittelauswahl (bspw. Geflügel, Thunfisch, Rinderherz) oder Ergänzung sicherzustellen.
Für die Aminosäure Tyrosin als Vorstufe des Dopamins werden ebenfalls positive Effekte vermutet, jedoch ist die Studienlage hierzu noch nicht ausgereift.

 

Kohlenhydrate

Kohlenhydrate sind in der Hundeernährung umstritten. Viele überzeugte Vertreter der Rohfütterung berufen sich auf die Abstimmung des Hundes vom Wolf, der sich wiederum von Beutetieren carnivor ernährt. Für unsere ominvoren Haushunde ist heute längst bewiesen, dass sich die Verdauung über die Zeit der Domestikation angepasst hat und sie in der Regel sehr gut Kohlenhydrate nutzen können (gelegentliche Ausnahme: nordische Rassen). Für die Energieversorgung des Gehirns ist Glukose sogar die am schnellsten verfügbare Energiequelle. Gleichzeitig wird das durch Kohlenhydrate vermehrt ausgeschüttete Insulin als Transportmolekül für Tryptophan genutzt.
Daraus resultiert die Empfehlung, dass Hunde die unter Stress oder Angstzuständen leiden, in jedem Fall gut verdauliche, aufgespaltene Kohlenhydrate aufnehmen sollten. Dies verbessert die kognitiven Fähigkeiten und verringert nachweislich impulsives Verhalten.

 

Fette

Mittelkettige Fettsäuren (MCT = medium-chain triglycerides) können ebenfalls als Energiequelle für das Gehirn genutzt werden. Besonders bei älteren Hunden sinkt die Fähigkeit Glukose zu verstoffwechseln, sodass dann eine Zufuhr besonders sinnvoll ist.  Hierzu eignen sich ausgewiesene MCT-Öle mit (nahezu) 100%igem Gehalt mittelkettiger Fettsäuren oder auch natives, kaltgepresstes Kokosöl, dessen Anteil MCTs allerdings zwischen ca. 50 und 90% stark schwanken kann. Die Energieinhalt des zugesetzten Öls ist zum Schutz vor Übergewicht in der Rationsberechnung zu berücksichtigen.

Die zweite wirkungsvolle Kategorie Fette sind die Omega-3-Fettsäuren. Vor allem die Docosahexaensäure (DHA) leistet einen wichtigen Beitrag zu Gehirnentwicklung und -funktion. Sie gilt als entzündungshemmend, blutgerinnungsreduzierend und verbessern die Fluidität von Zellmembranen. Darüber hinaus kann sie oxidativer Stress durch Bindung freier Radikale reduzieren.
Im Gegensatz zu den MCTs sind Omega-3-Öle mehrfach ungesättigt und neigen schneller zum Verderben durch Oxidation. Die Lagerung sollte daher kühl und lichtgeschützt in dunklen Gefäßen erfolgen. Auch sollten sie binnen 4 Wochen aufgebraucht oder vorher entsorgt werden, wenn sie ranzig riechen.
Die potenteste Omega-3-Fettsäure ist neben DHA auch die Eicosapentaensäure (EPA). Beide sind ausschließlich in maritimen Quellen wie Lachs-, Dorschleber-, Krill- und Algenöl zu finden. Zu einem geringem Anteil von ca. 10% kann der Hund sie auch selbst aus Alpha-Linolensäure (ALA) in bspw. Lein- oder Hanföl umwandeln. 


Vitamine und Mineralstoffe

Neben den oben beschriebenen Makronährstoffen beeinflussen auch eine Vielzahl weiterer essenzieller Stoffe das Verhalten des Hunden.
B-Vitamine gelten im allgemeinen Sprachgebrauch als „Nerven-Vitamine“. Dabei wirken sich Niacin, Pantothensäure und Folsäure regulierend auf die Nebennierenhormone wie Cortisol als Stresshormon aus. Vitamin B6 hingegen ist für den Aminosäure-Stoffwechsel und -Transport bedeutsam. Die Funktionalität der Neurotransmitter wird durch Vitamin B12 unterstützt.
Eine Supplementierung über zusätzliches Obst und Gemüse ist nicht ausreichend. Innereien können hier anteilig helfen, liefern jedoch eine Vielzahl anderer Mikronährstoffe, deren Überversorgung zu vermeiden ist. Für eine Ergänzung von B-Vitaminen können sowohl synthetische Kombipräparate als auch Einzelergänzungen genutzt werden. Allen Vertretern ist gemeinsam, dass sie wasserlöslich sind und somit ein Überschuss im Körper nicht gespeichert, sondern mit dem Urin ausgeschieden wird. Eine Überdosierung ist somit nicht möglich.
Ein weiterer verhaltensrelevanter Mineralstoff ist das Magnesium. Beim Mangel kann es zu Erregungs-zuständen und unkoordinierten Muskelbewegungen kommen. Auch wird eine reduzierte Stressresistenz angenommen. Gleichzeitig steigt bei Stress und körperlicher Anstrengung der Verbrauch an, sodass eine Ergänzung erforderlich wird. Am besten eignen sich zur Supplementierung Einzelergänzungen, wenn die gesamte Nährstoffbalance des Futters ausgewogen ist.


Sinnvolle Ergänzungen zur ausgewogenen Basisration

Die Auswahl an Ergänzungsfuttermitteln zur Unterstützung stress- oder angstbedingter Verhaltens-auffälligkeiten wächst Jahr für Jahr an. Schwarze Schafe lassen sich daher nicht ausschließen. Das zeigt sich in teilweise überzogenen Wirkversprechen ohne die passenden Inhaltsstoffe oder auch im Einsatz ungeeigneter Zutaten.

 

 

Doch welche Ergänzungen sind überhaupt sinnvoll?

 


Häufig eingesetzte Produkte sind Phytopharmaka. Diese Arneimittel basieren ausschließlich auf pflanzlichen Wirkstoffen wie beispielsweise Johanniskraut, Ginseng, Passionsblume, Melisse oder Baldrian. Einzeln oder miteinander kombiniert helfen sie bei Nervosität, Stress und leichten Angstzuständen, wobei keine durchgängigen wissenschaftlichen Belege vorliegen. Die Dosierung ist nicht nur vom Gewicht des Hundes abhängig, sondern kann auch durch die Kombination beeinflusst werden. Daher ist das Zurückgreifen auf ein qualitativ hochwertiges Fertigprodukt erforderlich oder die individuelle Mischung sollte von einem ausgebildeten Phytotherapeuten erstellt werden.
Eine weitere Möglichkeit sind nachgebildete Pheromone. Beim Säugen werden diese von der laktierenden Hündin abgesondert und haben eine beruhigende und entspannende Wirkung auf die Welpen. Doch auch ältere Hunde können von dem Effekt profitieren, wobei die wissenschaftlichen hierzu unterschiedliche Ergebnisse zeigen.
Ebenfalls aus Erkenntnissen der Säugephase resultiert die Empfehlung zur Ergänzung von Alpha-Casozepin, welches angstlösend und krampflösend wirkt. Dabei handelt es sich um ein Peptid, das vom Welpen aus Milcheiweiß gebildet. Bei adulten Hunden nimmt die Fähigkeit zur Umwandlung im Darm ab, doch wurden Erfolge durch eine gezielte Zufütterung belegt. Die Wirkung ist hierbei dosisabhängig, sodass bestenfalls auf ein handelsübliches Ergänzungsprodukt in der ausgewiesenen Dosiermenge zurückgriffen werden sollte. Vorteilhaft ist beim Einsatz von Alpha-Casozepin auch, dass es keinerlei Nebenwirkungen hat und kein Suchtpotenzial besteht.

 

L-Theanin ist eine nicht-essenzielle Aminosäure, die aus grünem Tee gewonnen wird. Die stressmindernde, angstlösende und konzentrationsfördernde Wirkung konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden. Dabei wirkt es nicht sedierend und kann auch für Welpen angewandt werden. Von einer Gabe von grünem Tee pur ist abzuraten, da das enthaltene Koffein toxisch für Hunde ist.

 

In den letzten Jahren ist der Markt für Cannabinoide stark gewachsen. Geeignete Produkte basieren hierbei auf dem schwach psychoaktiven Cannibidiol (CBD). Im Gegensatz zum Tetrahydrocannabinol (THC), das berauschend und angstlösend wirkt, fällt es nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Beiden Substanzen ist gemeinsam, dass sie aus den Blüten des Hanfs gewonnen. In einem handelsüblichen Hanföl ist es demnach nicht enthalten, da dieses aus den Samen gewonnen wird. Einigen Ölen wird CBD jedoch explizit zugesetzt, sodass es exakt dosiert auch als Ergänzung für Hunde genutzt werden kann. Bislang beruht die Empfehlung zu CBD-haltigen Produkten zur Stresslinderung bei Hunden auf Annahmen ohne abgeschlossene wissenschaftliche Studien.

 
Grenzen und Umsetzungshinweise

So vielfältig die Möglichkeiten der diätetischen Unterstützung des Hundes sind, gibt es doch einige wesentliche Randbedingungen zu beachten.
Einer Supplementierung und Ernährungsanpassung sollte immer eine tierärztliche Allgemeinuntersuchung vorausgehen, um eventuelle gesundheitliche Einschränkungen aufzudecken. Auch sind die Lebensumstände des Hundes sowie mögliche externe Stressfaktoren ganzheitlich in die Ausarbeitung des Therapieplans einzubeziehen. Je nach Schwere der Stresssymptome und Gefahren durch Selbstverletzung, etc. sollte eine schulmedizinische Behandlung mit dem Haustierarzt besprochen werden.
Die Anpassung und Ergänzung der Fütterung kann in der Regel einer von mehreren Bausteinen zur Verbesserung der Stresstoleranz des Hundes sein. In jedem Fall ist die Ernährung eine längerfristige Maßnahme. Entsprechend sollte die Planung und Umsetzung bereits mehrere Wochen im Voraus erfolgen. Bei insgesamt eher stressanfälligen Hunden sollten die Prinzipien der ausgewogenen Basisration dauerhaft beibehalten werden. Eine Dauergabe von Ergänzungsfuttermitteln hingegen ist im Einzelfall zu prüfen. Hierzu sollten ausschließlich Produkte verwendet werden, die für den Fütterung von Hunden gedacht und sicher sind.

 

Abschließend ist noch zu erwähnen, dass in gar keinem Fall Produkte wie Eierlikör ohne ähnliche gängige Empfehlungen für Hunde angewandt werden sollten. Toxische Substanzen richten mehr Schaden an, als sie kurzfristige positive Effekte mitbringen!


 

 

04.03.2025


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